Köln: 26.–29.10.2025 #iddcologne

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Drei besondere Designorte, die Leben und Lernen verbinden

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Gastfreundschaft kann sich in vielen Formen ausdrücken: einer liebevoll zubereiteten Mahlzeit, einem herzlichen Lachen, einem geteilten Moment der Ruhe. Doch vielleicht nirgends wird sie so erfahrbar wie im Zusammenspiel der sinnlichen Eindrücke eines Ortes. In einer Zeit, in der Reisen zunehmend standardisiert und durchökonomisiert erscheinen, wächst das Bedürfnis nach Refugien, die mehr sind als bloße Unterkünfte: Orte, die kulturelle Tiefe statt globaler Gleichförmigkeit bieten und neben Erholung vielleicht sogar das Potenzial persönlichen Wachstums bieten.

Casa Wabi in Mexiko

Foto: Emanual Triste

Genau hier setzt ein Trend an, der sich an mehreren Stellen der Welt beobachten lässt – von der mexikanischen Pazifikküste bis zum französischen Land bis zur malerischen Toskana: Design Residencies, die an ganz besonders gestalteten Orten stattfinden, haben seit einigen Jahren Konjunktur. Sie alle eint eine Gestaltung, die auf natürliche Materialien setzt, lokale Bezüge herstellt und so Räume der Ruhe schafft – ideal, um den kreativen Geist zu schärfen.

Viele dieser Orte öffnen ihre Türen zudem für Architektur- und Interiorliebhaber:innen, die sie im Rahmen von Führungen, Ausstellungen oder speziellen Touren besuchen können.

Casa Wabi, Mexiko: Ozean, Architektur und Gemeinschaft

Casa Wabin in Mexiko
Pavillon in Casa Wabi
Casa Wabi, Mexico

Das Hauptgebäude von Casa Wabi wurde vom japanischen Architekten Tadao Ando entworfen. Foto: Emanual Triste

Casa Wabi ( casawabi.org ) ist weit mehr als nur ein Ort: Es ist ein Konzept und eine Hommage an die Reduktion. 2014 von dem mexikanischen Künstler Bosco Sodi gegründet, liegt die ursprüngliche Casa Wabi am Pazifikstrand von Puerto Escondido, Oaxaca in Mexiko. Die Stiftung versteht sich als und kreativer Rückzugsort, der Künstler:innenresidenzen, Gemeinschaftsarbeit und die Förderung lokaler Handwerkskunst miteinander verbindet. Der Name leitet sich vom japanischen Konzept „Wabi-Sabi“ ab, das die Schönheit des Unvollkommenen und Vergänglichen feiert.

Das Hauptgebäude wurde folgerichtig vom japanischen Architekten Tadao Ando entworfen. Der langgestreckte Betonbau öffnet sich in beide Richtungen zur Landschaft: zur rauen Brandung des Pazifiks auf der einen Seite, zur stillen Palmenlandschaft auf der anderen. Die 312 Meter lange Sichtbetonwand ist sowohl ein architektonisches Statement als auch ein Filter zwischen Außen und Innen, zwischen Natur und Reflexion.

Casa Wabi ist ein kreativer Rückzugsort für Künstler:innen aus aller Welt. Foto: Sergio López

Ein weiterer Pavillon auf dem Gelände stammt von Ambrosi Etchegaray wirkt als stiller Dialog mit Andos radikaler Formensprache und mit der tropischen Umgebung.

Casa Wabi liegt direkt an der pazifischen Küste in Oaxaca, Mexiko. Foto: Sergio López

In Casa Wabi leben Künstler:innen aus aller Welt. Hier arbeiten sie für mehrere Wochen, nehmen aber auch an sozialen Projekten mit regionalen Gemeinschaften teil. Der Dialog zwischen internationaler Kunst und lokaler Kultur ist kein Nebenaspekt, sondern Kern des Programms. Gleichzeitig ist Casa Wabi nicht öffentlich zugänglich: Besuche sind möglich, aber nur mit Voranmeldung, was die kontemplative Atmosphäre erhält.

Neben dem Hauptsitz in Puerto Escondido betreibt die Stiftung zwei weitere Räume: Casa Wabi Tokio, ein kleiner Showroom und Begegnungsort in Japan, sowie ein Haus in Mexiko-Stadt, das als Ausstellungsort, Atelier und Bibliothek dient und von Alberto Kalach entworfen wurde. Auch diese Orte folgen der Philosophie der Reduktion, Offenheit und stillen Aufmerksamkeit.

Villa Lena: Boutiquehotel trifft Künstlerresidenz

Villa Lena: Boutiquehotel und Künstlerresidenz
Villa Lena: Boutiquehotel und Künstlerresidenz

Die Villa San Michele, das Herzstück der Villa Lena. Foto: Villa Lena

Anders ist die Villa Lena ( villa-lena.it ) in der Toskana: Sie ist sowohl Boutiquehotel als auch Künstler:innenresidenz. Das Anwesen ist ein altes Gut aus dem 19. Jahrhundert, das seit 2014 als Villa Lena neu erfunden wird. Hinter dem Projekt stecken die Kuratorin Lena Evstafieva, ihr Ehemann, der Musiker Jérôme Hadey, und ihr gemeinsamer Freund Lionel Bensemoun.

Villa Lena besteht aus einem größeren, historischen Gebäudekomplex. Im Zentrum des Anwesens steht das Gebäude San Michele, eine Villa aus dem 19. Jahrhundert, das sechs luxuriöse Zimmer mit Ausblick über Olivenhaine und Weinberge beherbergt. Zwischen 2018 und 2019 wurde zudem noch ein alter Pferdestall vom britisch-norwegischen Architekturbüro Hesselbrand restauriert und umgebaut – wobei Wert auf ein minimalistisches Interieur mit natürlichen und regionalen Materialien wie edlem Carrara-Marmor gelegt wurde, das dem Ort treu bleibt. Daneben gibt es noch weitere Häuser und Apartments, die von kleineren Gruppen oder Paaren angemietet werden können, sowie einen Pool und eine hauseigene Osteria.

Das Interieur der Villa Lena legt Wert auf regionale Materialien und edle Erdtöne. Teile des Anwesens wurden vom Architekturbüro Hesselbrand restauriert und umgebaut. Foto: Villa Lena

Das Team der Villa Lena bietet außerdem ein vielfältiges Aktivitätenprogramm an: Neben einer Palette von Kochworkshops und Retreats gibt es beispielsweise auch die Möglichkeit, auf Trüffeljagd zu gehen. Des Weiteren bietet die Villa Lena Foundation jedes Jahr Kreativen aller Disziplinen die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Residenz an diesem besonderen Ort zu entfalten.

Domaine de Boisbuchet: Wo Gestaltung auf Natur und Bildung trifft

Domaine de Boisbuche
Domaine de Boisbuche
Domaine de Boisbuche

Das Château at Boisbuchet aus dem 19. Jahrhundert dient heute als Ausstellungsort. Foto: Domaine de Boisbuchet

Domaine de Boisbuchet ( boisbuchet.org ) ist ein Ort in der westfranzösischen Region Nouvelle-Aquitaine, an dem Design, Architektur und Kunst inmitten historischer Landschaft aufeinandertreffen. Gegründet vom Sammler und Kurator Alexander von Vegesack, entwickelte sich hier seit den 1990er-Jahren ein Zentrum, das nicht nur als Residency und Forschungsstätte, sondern vor allem als lebendiger Workshop-Campus fungiert. Vegesack, ebenfalls Gründer des Vitra Design Museums, verkaufte dafür Teile seiner umfangreichen Thonet-Sammlung an den österreichischen Staat und reinvestierte den Gewinn in den Ort. Trotz dieser Veräußerung beherbergt das Gut auch heute noch eine einmalige, fast museale Sammlung von Designklassikern, die Vegesack im Laufe seines Lebens zusammen trug – darunter Namen wie Charlotte Perriand, Joe Colombo, Dorothée Maurer-Becker, Isamu Noguchi, Ray und Charles Eames sowie viele mehr.

Shigeru Ban und seine Workshopgruppe beim Aufbau des „Paper Pavilions“ – dem ersten permanenten Gebäude des Pritzker-Preisträgers in Europa. Foto: Domaine de Boisbuchet

Das über 150 Hektar große Anwesen umfasst darüber hinaus ein klassizistisches Schloss, mehrere Nebengebäude und temporäre Bauten internationaler Architekt:innen – darunter Projekte von Shigeru Ban oder Alvaro Siza. Die Natur ist dabei nicht Kulisse, sondern ein aktiver Teil des Gestaltungsraums: Wiesen, Wälder und ein See bilden die Bühne für kreatives Arbeiten unter freiem Himmel.

Jeden Sommer lädt Boisbuchet renommierte Gestalter:innen und Institutionen ein, interdisziplinäre Workshops zu geben – von Keramik über Grafikdesign bis hin zu performativen Formaten. Die Teilnehmenden wohnen gemeinsam, essen an langen Tischen und arbeiten in offenen Werkstätten. 2025 ist beispielsweise das finnische Designhaus Artek anlässlich seines 90. Geburtstags mit einem Workshop vertreten.

Das Techstyle-Haus ist ein autarkes, solarbetriebenes Haus, das 2014 von Studierenden verschiedener Universitäten entwickelt wurde. Foto: Domaine de Boisbuchet

Boisbuchet versteht Gestaltung als kulturelle Praxis, die über Disziplinen hinausgeht. Der Ort ist kein Designmuseum, sondern ein Labor, in dem Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenkommen, um durch Hand und Geist Neues zu denken. Dabei verbindet sich pädagogischer Anspruch mit kontemplativer Gastlichkeit – eine seltene Kombination.

Architekturinteressierte Besucher:innen können über die Webseite Führungen über das Gelände vereinbaren. Im Schloss finden außerdem temporäre Ausstellungen statt, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Die vorgestellten Kreativorte sind minimalistisch, reduziert oder rustikal und zeigen, wie vielfältig Kreative leben und arbeiten wollen. Weitere spannende Wohnwelten sind auf der idd cologne 2025 live im Design-Hub Köln erlebbar.